Die Braille-Schrift wird auch als Punktschrift oder Blindenschrift bezeichnet. Sie wird mit einer Fingerkuppe gelesen – meist buchstabenweise, seltener wortweise. Die anderen Finger dienen dabei zur Orientierung und Vorausschauen auf dem Blatt. Die tastbare Schrift für Blinde unterliegt aus Gründen der Lesbarkeit verschiedenen Normen, was die Ausdehnung und Höhe und was die Abstände angeht. Diese müssen unbedingt eingehalten werden, da die Punkt-Formationen sonst nicht mehr durch ein kurzes Überstreichen mit der Fingerkuppe erkannt werden können. Eine vergrößerte oder verzerrte Formation löst kein bekanntes und gelerntes Tastgefühl auf der Fingerkuppe des Lesers aus.
Was hinter den sechs Punkten steckt
Trotz der Normen gibt es einige Form-Varianten. Auch werden zum Beispiel wegen des großen Platzbedarfs der Schrift und der langsameren Lesegeschwindigkeit wegen, für fortgeschrittene Leser gekürzte Worte und Silben angeboten. Man verwendet außerdem verschiedene Ligaturen, die auch Lautkürzungen genannt werden. Man spricht von Vollschrift, die die Lautkürzungen enthält und von Kurzschrift, die der Stenografie ähnlich, fast alle Worte oder Wortbestandteile auf neue Zeichen reduziert.
Um die Regeln der Punktschrift für deren Produktion korrekt anwenden zu können muss man die deutsche Rechtschreibung tadellos beherrschen, denn nur so wird vermieden, dass man beispielsweise Lautkürzungen falsch einsetzt oder andere Braille-Regeln nicht beachtet. Auch bei der Groß- und Kleinschreibung gibt es Regeln, die von der sogenannten Schwarzschrift, also der optisch sichtbaren lateinischen Schrift und ihren arabischen Ziffern abweichen.
Während es bei der Umsetzung von Buchstaben und Worten noch einen für Laien relativ nachvollziehbaren Zusammenhang gibt, wird es bei Umsetzung von Zahlen, Daten und Mathematik, Musiknotenschrift und Schach– oder Strickschrift richtig aufwendig. Denn alle Braille-Zeichen haben da eine andere Bedeutung. Damit man diese selben Zeichen aber entsprechend anders versteht, wird der Wechsel vor dem Wechsel der Schrift angekündigt – natürlich mit einem Braille-Zeichen.
Für die Darstellung von mehr als 64 Zeichen ist es für die Anwendung auf dem Computer notwendig, einige Änderungen zu lernen. Dort wird die Computerbraille-Schrift verwendet, die man prägen oder auf einer sogenannten Braillezeile lesen kann, einem Gerät mit elektromechanisch (piezoelektronisch) gesteuerten Stiften, die sich als Punkte aus der Lochraster-Oberfläche erheben. Auch die neuesten Braillezeilen können leider nur eine einzige Zeile Text anzeigen. Die gängigsten zeigen 40 Buchstaben gleichzeitig an.
Vielleicht haben Sie gelernt, dass Punktschrift aus 6 Punkten pro Zeichen gebildet wird – das ist richtig, aber auf dem Computer gibt es wahlweise auch noch die 8-Punktschrift, die auf der elektronischen Braillezeile (sozusagen der fühlbare Monitor) ausgegeben werden kann. Sie hat zusätzliche zwei Punkte am unteren Ende. Dadurch ist es möglich, viele weitere notwendige Zeichen darzustellen. Möglich werden 256 Kombinationen. Diese müssen durch den Leser erst erlernt werden. Wollen Sie in Ihrem Text auch englische Zitate und französische Worte verwenden, müssen diese Ausgezeichnet werden um sie nicht mit den selben deutschen Punktkombinationen zu verwechseln. Wie kann man denn mit so wenig möglichen Zeichen alle Französischen, Türkischen oder Finnischen Akzente darstellen? Dafür gibt es die umstrittene aber gebräuchliche Lösung, im deutschen Text darauf zu verzichten. Leider nutzen die meisten Länder auch nicht die selben Punktkombinationen, wenn sie die selben Satzzeichen schreiben. Das macht das Lesen und Schreiben in fremden Sprachen sehr schwierig.